Briefe aus Wien verschiedene Inhalts an einen Freund in Berlin Johann Friedel Leipzig und Berlin 1783. Letzter Brief.

Esterhaz liegt in der Oedenburger Gespannschaft, ein Paar hundert Schritte von Neusiedler See. Über diesen See liess der Schöpfer dieses kostbaren und herrlichen Lustschlosses, der Fürst Esterházy, vor ein Paar Jahren einen Damm ziehen, der sich wohl auf eine halbe Stunde erstreckt, und den Weg von Pressburg dahin um 5 bis 6 Stunden abkürzet. Dieser Damm ist sehr massiv, und auf beyden Seiten mit Bäumen besetzt. Die ganze umliegende Gegend ist ein flaches Feld, auf welchem die fettesten Triften mit den ergiebigsten Ackern abwechseln. Nur an den Ufer der See hat die gütige Ceres auch dem Bachus ein Stück abgetreten, da so ziemlich gute Weine trägt. - Nun wie gesagt, einige hundert Schritte jenseits des Dammes erhebt sich das majestätische Esterhaz, welches das einzige in seiner Art, und gewiss das prächtigste Schloss in den K.K. Erbländern ist.

Von den Hauptgeebäude stehen beyderseits die Hauptwachen der fürstlichen Grenadiere, die blau und roth montiert, und lauter schöne Leute über 6 Schuh hoch sind. Der Vorhof prangt mit einem grossen Springbrunnen, dem gegen über die beyden Haupttreppen stehen. Das Gabäude ist sehr weitläufig, und mit allen Regeln und Reizen der Architektur reichlich versehen. Drey Stockwerke enthalten über 500 Zimmer, die alle überaus prächtig eingerichtet sind. Hinter dem Hauptgebäude, dem grossen Garten zu, sind in gleicher Linie, mit nebenstehenden weitläuftigen Höfen, die übrigens herrschaftlichen Gebäude, nehmlich zwey für die Hausoffiziere, der Marstall auf 100 Pferde, samt der Sommer und Winterreitschule, das grosse Theater, die Bildergallerie, die Wohnungen der fürstlichen Kapelle, der Operisten und Komödianten, die Casernen für die Miliz, und das weitläuftige Wirtshaus. Zu Ende dieser Gebäude sind zwischen Alleen verschiedene Häuser für allerhand Professionisten, und diese Alleen führen auf der einen Seite zu dem nahen Dorfe Seplack, auf der anderen aber zu dem Dorfe Schüttin, so dass, wenn man in den Alleen vor oder hinter sich sieht, dann die Kirche eines dieser Dörfer im Gesichte hat.

Der grosse Garten ist wohl eine Stunde lang, mit breiten Alleen zwischen hundertjährigen Bäumen durschnitten, und mit einer Menge von Nebengängen versehen, die in ein dickes kühlendes Gebüsch führen, und das von dem Regelmässigen ermüdete Auge durch ihre natürliche Wildheit erquicken. Überall sieht man kostbare Spring brunnen, und die vortreflichsten Statuen, Lauben und Ruhebänke. - In diesen Garten steht auch der Tempel der Sonne, der Diana, des Glücks und der Liebe, die alle sehr herrlich geziert und meubliert sind. Auf dem sogenannten ovalen Platze bauet man eben jetzt noch ein chinesisches Lusthaus, welches Bagatelle genannt wird, drey Stockwerk hoch, mit einer Dachgallerie versehen, und überaus niedlich angelegt ist.

Die Orangerie ist sehr schön und zahlreich; und die Fasanerie ganz unvergleichlich. Noch ist in diesen Garten auch ein Marionettentheater, welches wegen der Pracht, und den überaus künstlich gemachten und sehr kostbar gekleideten Puppen - keines seines gleichen hat. Zu Ende dieses weitläufigen Gartens, der durchaus mit eisernem Gitter eingeschlossen ist, öffnet sich ein dicker langes Wald, in welchen sowohl Hirsche, als wilde Schweine geheget werden, die ziemlich zahm sind, und den Spaziergehendeen alle Augenblicke aufstossen.

Die Einrichtung der Zimmer hat eine Pracht, deren Beschreibung fast unglaublich scheinen würde. Den Überfluss davon kann man aus der sogenannten Vorrathskammer beurtheilen, in welchen alle diejenigen Kostbarkeiten aufgewahrt werden, die man in den Zimmer nicht anbringen konnte; und dieses sind so viel, dass man ein ganzes Schloss damit auszieren konnte. Mann muss aber diese Vorrathskammer von den fürstlichen Schatze wohl unterscheiden, indem dieser nicht in Esterhas, sonder auf dem Bergschloss Forchtenstein aufbewahret wird.

Das grosse Theater übertrifft gewiss an Pracht und Schönheit alles, was man von dieser Art sehen kann. Gold, Spiegel und der kostbarste Marmor sind dabey verschwendet worden, aber selbst das Theater zeuget von dem eigenen vortreflichen Geschmacke des Fürsten. - Alle Tage ist deutsches Schauspiel, mit italienischer Opera buffa abwechselnd. Die Musik ist stark besetzt und so vortreflich, als sie unter der Direktion eines so grossen Tonkünstlers, den Herrn Kappelmeister Heiden, nothwendig seyen muss. Kurz, hier sind alle Gegenstände, so zahlreich und so auffallend, dass sie auch auf den gefühllosesten und nachlässigsten Beschauer den grössten Eindruck machen müssen.