Hundert Tage auf Reisen in den österrreichschen Staaten.

Kohl J.G.

Dresden 1842. III.k. 24-28 old.

 

...Es ist dasselbe in dem Style des Schlosses von Versailles gebaut, die Zeit seiner Blüthe fällt in das vorige Jahrhundert, denn da verschwendeten hier die reichen Fürsten Esterházy unmenschliche Schätze. Die Kayserin Maria Theresia, welche sie zu Zeiten besuchte, gab nicht wenig Veranlassung dazu. Ihr zu Ehren wurde hier ein grosser Saal erbaut, der auch zu besonderen Festen eingerichtet war, aber nach ehe die Kaiserin kam, abbrannte. Ebenso wurde ihr zu Ehre ein Lustschloss in dem Parke gebaut, in welchen der fürst, für die Kaiserin kleine Gartenfeste veranstaltete. Sie fragte inh bei einer solchen Feste, wieviel ihm diess Schlösschen koste. Der Fürst erwiderte: 80.000 Gulden. "O das ist für einem Fürsten Esterházy eine Bagatelle" sagte die Kaiserin. "Bagatelle" fand man beim Hinausgehen mit vergoldeten Buchstaben vor der Thür des Schlosses angeschrieben, und es heisst seitdem: "Schloss Bagatelle".

Es findet sich in diesem Schlosse ein Saal, der so künstlich gebaut ist, dass man die Musik, die in einem unteren Zimmer spielt, ebenso deutlich hört, als wenn sie im Saale selbst gegenwärtig wäre, so wie man auch wohl die Zimmer von unten mit erwärmter Luft ohne Oefen heizt. alle Es mochte die Kaiserin allerdings überraschen, plötzlich Musik erklingen zu hören, ohne sie zu sehen. Man könnte auch denken, das es ein schönerer und reinerer musikalischen Genuss sein musste, wenn man die Musik blos hörte, ohne sie zu sehen. Man könnte auch denken, das es ein schönerer und reinerer musikalischen Genuss sein musste, wenn man die Musik blos hörte, ohne sie zu sehen. Allein ich möchte doch, zumal bei Tische, mich den Anblick der Musik entbehren, und ich glaube, dass selbst hierbei das Auge dem Ohre hilft und die heitere Eindrücke die Töne vermehrt. Das Lustige Streichen der Geigen, die kraftvollen Bewegungen auf dem Basse, die blitzenden metallenen Hörnen, die aus- und einfahrenden Posaunstösse, die auf den Flöten und Klarinetten auf- und niederkletternden Finger, diess Alles ist so charakteristisch und so theatralisch, dass es gewissermassen mit zur Musik gehört, wie die Mimik zur Declamation. Wäre die Mimik der Musiker und ihrer Instrumente dem Effecte der Musi schädlich, so müsste man in allen Concerten die Zuhörer mit dem Rücken gegen das Orshester setzen.

In dem grossen Hauptschlosse, dessen Baukosten hoch in die Millionen gehen, findet man noch, obgleich seit mehreren Jahren nicht nur alles vernachlässigt ist, sondern auch schon viele der kostbarsten Sache aus ihm entführt wurden, um andere, schöner gelegene Esterhazysche Schlösser damit zu zieren, viele höchst interessante Kunstgegenstände.

Es ist unmüglich sie zu nennen, denn es sind hier und da ganze Zimmerreichen damit angefüllt. Nur begreift man gar nicht, wie alle diese Dinge an diesen so wenig schönen, so durch fast gar nichts ausgezeichneten Erdfleck kommen. Denn ohne Zweifel hatten die Esterházy auf ihren weitlaufigen Besitzungen doch noch manchen Bauplatz, der sich besser für ein Schloss eignete, als dieser Sandhügel am Rande eines Morastes. Die Feste, welche hier an Maria Theresias Zeiten gegeben wurden, mögen herrlich gewesen sein, wenn mann bedenkt, dass ein Haydn als Concermeister die fürstliche Kapelle dabei zur Tafel aufspielte. Die Kaiserin hatte im Schlosse ihren eigenen Schlossflügel, und nachher hatte Joseph auch wieder sein eigenes Quartier. Vom Haydn giebt es hier noch mehrere Andenken, z.B.: eine Schlidplattenvioline, vielleicht als Anspielung auf die Shildkrötenschale, welche der Gott Mercur mit Saiten überzog. Auch lebt hier noch eine uralte Frau, die ihn und seine Musikanten bediente, wenn die Kapelle im Schlosse anwesend war.

Unter den vielen, zum Theil sonderbaren, zum Theil interessanten kunstwerken, die man hier sieht, befinden sich auch zwey merkwürdige kleine Figuren, die eines Mannes und die einer Frau, welche beide von einer Italienerin aus lauter venetianischen Seemuscheln zusammengesetzt worden sind. Diesen Figuren sind nicht ganz zwey Schuh hoch. Den Muscheln hat man ihre natürliche Form und Farbe gelassen. Durch Aufwend ung unendlich vieler Mühe, hat man aber für die Lippen, für die Wangen, für die Augen, für die Fingerm für die Kleider, Schnallen, Stiefeln und Knöpfe eine eigene passende Art von Muscheln gefunden. Sogar die Haare, alle die einzelne Bart- und Haupthaare sind durch besondere feine länglich gewundene Muscheln dargestellt. Das Kunstwerk an und für sich ist wenig schön. Aber es kann der beste Beweis für die Manchfaltigkeit der venetianischen Conchylien Welt angesehen werden. Es sind zum Theil "Caragolis" und der Herr von Pirsch, der die hübsche Reise durch Ungarn unter den Titel Caragoli schrieb, würde seine Freude daran gehabt haben, dass schon von Ihm Jemand die Idee hatte, etwas Aesthetisches aus diesen zierlichen Kindern der Nereiden zusammenzusetzen. "Wie sind sie denn aus Italien hierher gekommen?" fragte ich den alten Schlossaufseher, der uns herumführte. "Ja" sagte er, "die Resel hat's holt geschafft!". "Wie so?" - "Schaun's der alte Fürst sass eines Tages in diesen selben Sopha, in den Sie jetzt sitzen, da kam ein Italiener, der ihm diese Figuren für 12.000 Gulden anbot, und zugleich dabei einen Empfehlungs brief von der Kaiserin zeigte. Der Fürst hatte gar keine Lust, diese Dinge zu Kaufen, las den Brief und las ihn noch mal! Da machte er ihn zu, und wurde mit den Italiener handelseinig! Die Resel hat' holt geschafft."

Auch hier in Esterhas waren viele englische Vollblutpferde und Engländer dabei zu ihrer Pflege. Ich sah ihrer mehrere, von denen die Engländer mir erzählten, dass deren Aeltern in England zu enormen Preisen verkauft worden seien. Von einen z.B. der Vater zu 3000, und die Mutter zu 4000 Pfund Sterling verkauft worden. Welche edle Kinder mussten diess sein! Ich wusste nichts an ihnen zu schätzen und jedes ehrliche Arbeitspferd hatte in meinen Augen mehr Werth. Sie behaupteten, mit der Füllen hier 70-80 reine Vollblutthiere zu besitzen. Das grösste Esterházysche Gestüt befindet sich aber im Süden des Plattensees, im sogenannten Oseral-Districte. Er soll sich auf 800 veredelte Pferde belaufen.

Ausser der Stallungen der Pferde besahen wir auch noch die der Hunde, für die ein eigenes kleines Etablissement gegründet war, einen Hof zum Spazierenführen, mehrere Ställe für verschiedenen Alterstufen und eine eigene Küche für ihr Departemen. Es waren nicht weniger als 92 englische Hunde.