Mihály MŐCSÉNYI

Eszterháza

Budapest, den 07.12.1994.

 

Die Geschichte des Barock-Rokoko-Ensembles von "Schloß, Park und Landschaft" in Eszterháza, das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts seine Glanzzeit erlebte, ist außerordentlich aufschlußreich für die Enstehung einer barocken Landschaft und ihrer weiteren Entwicklung.

Das in den verschiedenen Urkunden mehrfach und meistens Söjtör genannte Dorf (heute als Süttör bekannt) mit dem dazugehörenden Grundbesitz und den umliegenden Ländereien gehörte bis 1533 der Familie Kanizsay. Zu dieser Zeit schloss Tamás Nádasdy mit der Erbin des Kanizsay-Gutes, Dorothea, die Ehe. Somit wurde der dem mittleren Adel angehőrende Nádasdy, der in den Jahren nach 1520 an den Universitäten von Padua, Bologna und Rom studierte und darum einer der höchstgebildeten Ungarn war, zugleich zu einem der reichsten des Landes.

Das Gut von Söjtör grenzte an den Neusiedlersee und den Sumpf Hany. Unmittelbar neben dem Sumpf, auf einem "Rücken", der einige Meter höher als seine Umgebung war, entstand im Laufe der Jahrhunderte auf einer Fläche von über 200 Hektar ein etwa rechteckiger, oblonger Eichenwald. In den Eichenwäldern siedelten sich nebst Hirsch und Reh, mit Hinblick auf die Eichel, auch Wildschweinrudel an. Der See, der Sumpf, die Eichenwälder der Ebene und der naheliegenden Hügel bildeten ein naturgegebenes Fischer- und Jagd"Paradies".

Mit der Einführung der Schießpulver-Gewehre entstand eine neue Variante oder Methode der Jagd. In den Wäldern wurden Schneisen so gerichtet, daß sie sich in einem Punkt trafen, wodurch die Jagd effektiver, sicherer und zugleich die Orientierung erleichtert wurde. Diese Praxis hat zu einer "Jagdlandschaft" mit einem eigenartig geometrisch geprägtem Raumsystem und später zu einem beherrschenden Gestaltungsprinzip geführt. Für die früher, meistens zu Pferde und mit Bogen und Speer betriebene Jagd waren Wildgärten vorteilhaft, die aus Wäldern bestanden, die durch unterschiedlich große Lichtungen und Blößen unterbrochen wurden. (Die englische Fuchsjagd mit Hilfe der Meute bedarf einer Landschaft mit solchen Gegebenheiten.) Dies waren die Vorbilder der dreidimensionalen, geometrischen "französischen" Gärten vom Subordinationsprinzip einerseits bzw. der im Sinne des naturnahen Prinzips gestalteten "englischen" Landschaftsgärten anderseits. In den zweidimensionalen Renaissancegärten nach dem Additionsprinzips (Koordinationsprinzip) wurde das quadratische Formsystem der Garten- und Ackerbau-Landschaft (Beete) zum Träger ästhetischer Werte.

In dem mehrere hundert Joch großen Wald des Gutes Söjtör, welcher - als er noch im Besitz der Familie Kanizsay war - ungarisch Les (übersetzt Lauer) hieß, wurden die an den Gänsefuß erinnernden Schneisen auch hier deshalb geschlagen, damit sie der Jagd und der Orientierung dienten. Die mittlere Hauptschneise hat etwa nord-südliche Richtung. Das Jagdschloß wurde im offenen Feld am nördlichen Waldrand in Richtung des Sumpfes Hany so angelegt, daß diese Schneise - vom Eingang des Gebäudes her gesehen - auf den einige Kilometer entfernten gotischen Kirchturm von Szentmiklós zulief. Die Hauptfassade des Gebäudes lag in der Linie, die, mit der Hauptschneise einen rechten Winkel bildend, sich auf die frühere romanische Kirche bzw. auf den Kirchenhügel von Széplak richtete. Das Gebäude, welches praktischen Zwecken diente, wurde dadurch stärker betont, daß sich die zwei Seitenschneisen des Waldes am Gartenhaupteingang des Herrenhofes trafen. Diese Anordnung inspirierte später zur Verwirklichung eines im barocken Geist empfundenen Kunstensembles.

Tamás Nádasdy schrieb 1559 seiner Gattin einen Brief, in dem er die Gutszentren Kapuvár, Léka (Lockenhaus), Keresztur (Deutsch-Kreutz), Sejter und Szent-Miklós nennt und sie bittet wählen zu wollen, wo sie vorübergehend wohnen möchte. Eine andere, noch aus der Kanizsay-Epoche stammende Urkunde führt die Räume des Landsitzes von "Sewter" auf; unter ihnen befindet sich die Benennung "das Zimmer des Herren". Diese Urkunden beweisen, daß der Herrensitz Söjtör und der zu Szent-Miklós gehörende (zur Zeit von Nicolaus dem Prachtliebenden "Monbijou" genannt), den Ansprüchen der sehr wohlhabenden Nádasdy-Kanizsay Familie standesgemäß waren.

Die Nádasdy's bauten den Kanizsay-Landsitz noch im Stil der Renaissance weiter und fügten ihm ein Obergeschoß hinzu. Das Material des Fundamentes, die Dicke der Originalaußenwände und die aus Eichenpfosten mit großem Durchmesser in die Außenwände gebauten Ableitungen für das Regenwasser beweisen, daß das Renaissancegebäude so breit wie die Gartenfassade des heutigen Schloßkernes und vier Fensteröffnungen tief war. Einstweilen gibt es keine Urkunde oder Zeichnung, die sich auf einen zu dieser Zeit entstandenen Garten beziehen.

Das notwendige Freilegen der Wände beider Risalitflügel, die dem rechteckigen Renaisseance-Schloßkern angebaut wurden, (nach Überprüfung des Baumaterials, der unterirdischen gewölbten "Wasserschlinger"), ergab zwei CNF-markierte Backsteine. (Ein Backstein führt das Zeichen C F.) Es ist offensichtlich, daß diese Buchstaben das Monogramm des Grafen/Comes Nádasdy Ferenc bilden. Anzunehmen ist, daß für diesen Anbau mit barockem Grundriß der wegen Majestätsbeleidigung 1671 hingerichtete Ferenc Nádasdy der Bauherr war.

Le Notre begann 1662 mit dem Bau des Parkes in Versailles, dessen Anlage (im großen und ganzen) 1668 fertig war. Gegenwärtig gibt es keine geschriebene oder gezeichnete Urkunde, die beweisen könnte, ob zu derselben Zeit in Söjtör ein Park nach ähnlichen Barockprinzipien wie in Versailles angelegt wurde. Es ist darauf hinzuweisen, daß sich in Söjtör der Treffpunkt der Schneisen, der Sichtachsen am Gartenhaupteingang des Gebäudes befindet. (In Versailles treffen sich die fünf Sichtachsen (Vues) des Parkes am - dem Schloß nicht so naheliegenden - Latona-Brunnen und nur die Vues des Cour d'honneur schneiden sich an der Schloßfassade.)

Nach der Hinrichtung von Ferenc Nádasdy erwirbt der Palatin Pál Esterházy den größeren Teil des Besitzes seines Schwagers. Als Pfand für aufgenommenen Anleihen hinterlegte er Söjtör, zusammen mit anderen ehemaligen Nádasdy-Gütern.

Zu dieser Zeit beginnt für das Kunstensemble ein erster - fast fünfzig Jahre währender "Dornröschenschlaf". Von den Pfandbesitzern wurden die Gebäude offensichtlich nur genutzt, aber nicht weiter entwickelt.

1719 wurde das Gut Söjtör von dem damaligen Grafen Josef, (dem Sohn des Fürsten Paul), eingelöst. Graf Josef beauftragte 1720 den Baumeister A. E. Martinelli, das Schloß neuzubauen, bewohnbar zu machen (laut dem letzten ungarischen Archivar der Fürstenfamilie János Hárich hat Martinelli für den Bau eines neuen Schlosses einen Termin von drei Monaten akzeptiert). Der Stiefbruder Josefs, Fürst Michael, starb 1721. Josef, der Nachfolger im Rang eines Fürsten, gab Martinelli erneut einen Auftrag, das Schloßensemble weiter auszubauen. Da er aber nach einer Herrschaft von zehn Wochen im Juni des Jahres 1721 starb, wurden die Bauarbeiten unterbrochen.

Das Kunstensemble schlummerte jetzt - für ungefähr 40 Jahre - in einen "Halb-Dornröschenschlaf".

Fürst Josef vererbte auf Nicolaus, seinen jüngeren Sohn (secundo genitus), insgesamt drei Güter des mächtigen Fideikommisses. Eines von ihnen war Söjtör. Der 1714 geborene Nicolaus wurde in seinem 24. Lebensjahr mündig. Bis zu diesem Zeitpunkt verfügte der Vormundschaftsrat über den Besitz von Nicolaus. Der sparsamen Bewirtschaftung und der Verbesserung der Wirtschaftslage zufolge regelten sich die Angelegenheiten des Fideikommisses. Es sind sogar Reserven entstanden u.a. deshalb, weil Fürst Paul Anton (der ältere Bruder von Nicolaus) nichts bauen ließ, das Geld nicht verschwendete und sich meistens im Ausland als "Botschafter” aufhielt. Die Mutter der Erben, Gräfin Maria Oktavia Gilleis, verwaltete die Angelegenheiten des Majorates als Vorsitzende des Vormundschaftsrates. Sie ließ Michael Zinner, den damals monarchieweit anerkannten Parkplaner, zwei Pläne anfertigen. Nach Hárich bezog sich einer der Pläne auf Söjtör. Aufgrund einer Urkunde von 1729 fuhr Martinelli ("Maurermaister") nach einer mit Zinner in Eisenstadt abgehaltenen Fachberatung nach Söjtör, "umb den Seottorischen Gebäu nach zu sehen".

Als Graf war Nicolaus Soldat, nahm in hohem Rang an den Streifzügen und Kriegen von Maria Theresia teil und hat sich mehrmals ausgezeichnet. Als er mündig wurde, sich auf die Erträge seiner drei Besitze stützend, beauftragte er verschiedene Meister und Künstler zur Renovierung und Entwicklung des Schlosses und Gartens von Söjtör. Nachdem seine Mutter Zinner einen Gartenplan auch für Söjtör entwerfen ließ (für die beiden bestellten Pläne bezahlte sie jeweils hundert Dukaten, d.h. mehr als 400 Fl), hat Graf Nicolaus wahrscheilich die Kastanienalleen, Lauben, Lusthäuser, die ein einheitliches barockes Raumsystem ergaben, die verschiedenen Gebäude, Wassertürme auf dieser Grundlage anlegen und die Büsche, sowie stőrende Bäume in den Schneisen roden lassen.

1762 starb Fürst Paul Anton. Nicolaus, der die Pracht und die Künste schätzte, wurde Besitzer des Majorates und Fürst. Er nahm sich vor, Söjtör zum Zentrum des Majorates zu entwickeln.

Dank der Tüchtigkeit seiner Mutter und seines Bruders hat er vieles geerbt. Unter anderem gehörten dazu eine volle Schatzkammer, das Hoforchester mit Haydn, der begabten und vielseitige Ingenieur und Baumeister Nicolaus Jacoby und der Polyhistor Le Bon sowie viele ausgezeichnete "Hofmeister" (engagierte Künstler) sowie eine komplette, vorbildliche Gutsverwaltung. (Le Bon war unter anderem Zeichenlehrer, Architekt, Bühnenbildner, und als solcher hatte er mit seiner Frau und Tochter, die Opernsängerinnen waren, fast ganz Europa bereist - vom Hof des Zars bis zu den verschiedenen deutschen Fürstentümern und französischen Zentren der Kultur.)

Es ist vorstellbar, daß der aus Sarreguemines stammte und bis zum Tode seines ersten Herren nur französisch sprechende Jacoby, der seit 1756 im Dienste von Paul Anton stand, die Familie Esterházy verlassen wollte. Denn Nicolaus schenkte ihm drei Wochen nach seiner Erhebung in den Fürstenstand "aus besonderer Gnade" 400 Rheinische Goldgulden. (Das "Geschenk" war damals viel mehr als das Jahresgehalt, das Haydn von Paul Anton bekommen hatte.) Fürst Nicolaus verschenkte dieses "Vermögen" wahrscheinlich, um sich die Talente des Ingenieurs für die Verwirklichung seiner "Träume" zu sichern. Jacoby hat noch im Auftrag von Paul Anton im Jahr 1759 unter der Bezeichnung "PARC D'EISENSTATT A.S.A.M. LE PRINCE D'ESTERHÁZY" im Leitha-Gebirge einen monumentalen "Barock-Wildpark" entworfen. Wünschte der nun fürstlich lebende Nicolaus sogleich eine barocke Landschaft, so war zu deren Verwirklichung nach besten Kräften Jacoby befähigt.

Fürst Nicolaus hat sich wahrscheinlich nicht nur aus nostalgischen Gründen für Söjtör entschlossen, sondern deshalb, weil die landschaftlichen Gegebenheiten und die Besitzverhältnisse des Gutes von Söjtör für das Schaffen eines eindrucksvollen barocken Kunstensembles viel günstiger waren als die von Eisenstadt.

Die Gegend des Löschwaldes ist beinahe eben. Im Vergleich zu den hier niedrig gelegenen Eichenwäldern boten die naheliegenden Wälder einer Hügellandschaft verschiedene Jagderlebnisse. In Szentmiklós bei Röjtök wurde wahrscheinlich deshalb noch in der Kanizsay-Periode ein zweites Jagdhaus, das "Les-Schloß" erbaut. Zu dem später "Monbijou" genannten Gebäude gehörte auch ein Schneisen-System, das der Jagd diente.

Durch Ergänzung und Vereinigung der beiden der Jagd dienenden Raumstrukturen ließ Fürst Nicolaus seit etwa 1770 eine wahrscheinlich einmalige barocke Landschaftskomposition schaffen. Das Umland von Söjtör, die ihre natürlichen Gegebenheiten großenteils beibehaltende antropomorphe Landschaft eignete sich dafür mit den der Jagd dienenden, sich in den "point de vue" treffenden Schneisen, deren subordinierende Charakterzüge dem barocken Gesellschaftssystem entsprachen. Sie inspirierten einen für sein Zeitalter etwas verspäteten (die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung instinktiv oder bewußt hemmenden) ungarischen hochadeligen Magnaten, das Beispiel des französischen Sonnenkönigs Ludwigs XIV. nachzuhbilden und auf einem Gut von einer Million Joch ein würdiges "Szenenbild" entstehen zu lassen. Die effektvollen kontrastierenden, malerischen Elementen der vorhandenen Landschaft und die darin enthaltenen geometrischen Linien (Schneisen) mit den räumlich subordinierenden Charakterzügen forderten geradezu zur gestaltung einer Szenerie heraus, die fürstlicher Repräsentation in seinem Sinne dienen sollte. (In der Geschichte ist es mehrmals vorgekommen, daß die Gegebenheiten einer Landschaft die Schaffung von Kunstwerken herausforderten.) Nicolaus Jacoby hat, die Wünsche Nicolaus des Prachtliebenden erfüllend oder gar seine Ideen und Vorstellungen verwirklichend, allmählich eine der gelungensten "Barockbühnen" der Welt erschaffen. Nach einem berühmt-berüchtigten Spruch des unerwartet reich gewordenen und sich nach Pracht sehnenden Magnaten: "Was sich die Kaiserin erlauben kann, kann ich mir auch", spielte er zweifellos anspruchsvoll auf der monumentalen Bühne, die mit neuen Werken ständig bereichert wurde und zwang seine Bediensteten, ihr Bestes zu ihrer Entwicklung zu leisten.

Die von Fürst Nicolaus' Bruder geerbten Künstler: Haydn, Jacoby, Le Bon waren bei weitem begabter als der Durchschnitt. Jacoby erwies sich als ein genialer Organisator, indem er das Kunstensemble, das in allen seiner Ent-wicklungsphasen eine harmonische Einheit bildete, den Ideen und Wünschen seines Herren gemäß, beinahe während zwei Jahrzehnten durch Ergänzungen, Änderungen, mit Neubauten und Anlagen erweitern mußte, um einen immer reicheren und effektvolleren "Spielraum" zu gewinnen.

Als Nicolaus den fürstlichen Rang erwarb, bestand das gegenwärtige Schloß Eszterháza aus drei Einheiten: aus dem von Martinelli neugeschaffenen (damals teilweise schon 200 Jahre alten) Zentralbau und den soeben auch von Martinelli aus dem Wagenschuppen und Stall umgebauten zwei "Lusthäusern". (Die letzteren lagen rechts und links vom Hauptgebäude, in Richtung Sarród.) Die drei Gebäude waren mit Mauern zu einer Einheit verbunden, so- daß die Mauern einen vom Norden her zweifach bogenförmig geschlossenen Hof bildeten. Diesen Zustand stellt ein zeitgenössisches Gemälde dar und zwar mit einem anspruchsvollen - gegenüber dem af dem lavierten Riß angeführten - großzügigen Barockparterre auf der Südseite des Hauptgebäudes.)

Als Fürst wollte Nicolaus aber noch mehr. Sein Schloß sollte eine monumentale Wirkung ausüben. Zur Verwirklichung seiner Wunschträume und Vorstellungen stützte er sich auf seine zwei sehr begabten "Angestellten". Auf Jacoby, den Realisten, den Kenner der technischen, bauorganisatorischen Methoden der barocken Baukunst und deren ästhetischer Grundsätze beim räumlichen Komponieren von Kunstensembles, und auf Le Bon, der alle "Tricks" der effektvollen Bühnenbildgestaltung wie ein Jongleur anzuwenden verstand. ( Letzterer, der sich u.a. für einen Architekten hielt, war - laut Meinung seiner Zeitgenossen bzw. Auftraggeber - ein berühmter Perspektivenkonstrukteur und -zeichner der Barockzeit.)

Auftraggeber und Beauftragte, unter denen sich außer Mödlhammer, 'K.u.K. Artillerie Fortifications und hochfürstlicher Baumeister', auch ausgezeichnete Bildhauer und andere Meister, Künstler befanden, vereinbarten eine Lösung und diese wurde dann - vermutlich - von Le Bon, der dafür aufgrund seiner Routine und Virtuosität der geeignetste war, dargestellt. Das Schloß, das auf der "laviert" genannten Zeichnung zu sehen ist, ähnelt verblüffend einem Bühnenbild. Es ist anzunehmen, daß kein redlicher Meister der Epoche, der die Vorschriften, die Bräuchen seines Berufes kannte und beachtete, fähig und bereit gewesen wäre, der Illusion und der Wirkung halber eine Pfuscherlösung einzugehen, die von dieser perspektiwiscen Planzeichnung dargestellt wird. Martinellis drei selbständige Gebäude sind in diesem Plan so dargestellt, daß sie mit jeweils einem - vom Hof her gesehen zweigeschossigen, geschwungenen Verbindungsblock mit Mansarddach verbunden sind und anstelle der Steinmauer, die früher den Hof abschlossen hatte - auch noch jeweils mit einem eingeschossigen, hufeisenfömigen Seitenflügel ergänzt ist. Kein Baumeister, (genauer gesagt, kein sich "Mauerermaister" nennender damaliger Baukünstler) wäre bereit gewesen, eine Lösung vorzuschlagen, wie es der "Schöpfer" der lavierten Zeichnung getan hatte. Der Grund dafür ist, daß die Verbindungsblöcke mit dem zentralen Gebäude so angeschlossen wurden, daß sie bei den "Berührungskanten" an den Ecken nur insgesamt mit einer Mauerbreite aneinander gebaut waren. Vom Gesichtspunkt des Beschauers war jedoch dieses Ensemble sowohl vom Hof als vom Garten her gesehen, sehr eindrucksvoll. Diese "schlaue" Lösung, um eine Illusion zu erwecken, kann ihrem Verfasser zwar ein Erfolgserlebnis bereitet haben, aber er selbst konnte sie als keine organische und anständige architektonische Lösung betrachtet haben.

Aufgrund des lavierten Planes hat Mödlhammer - der im Auftrag der Familie Esterházy in Wien, Preßburg und Eisenstadt viel gearbeitet hatte - die Kostenaufstellung verfertigt und die Verbindungsblöcke gebaut.

Von der Hofseite gesehen wurde eine Kapelle im rechten Verbindungsblock binnen anderthalb Jahren gebaut. Das Interieur ist, aufgrund der vorgeführten Pläne und Modelle das Werk von namhaften Künstlern. Das Fresko wurde von Milldorfer gemalt.

Der zentrale Schloßkern blieb an der Seite des Cour d'honneur weiterhin visuell ungünstig gegliedert. Der mittlere Risalitflügel wird im lavierten Plan in Richtung des Hofes verlängert, wahrscheinlich, in ihm eine Treppe unterzubringen. (Wandfreilegungen bestätigen, daß der Anbau tatsächlich ausgeführt wurde.)

Die Dächer der einzelnen Gebäudeteile bilden überall ein Mansardengeschoß und sind unabhängig voneinander. Die Dächer des Zentralgebäudes bestanden aus geraden Flächen, es gab noch keine Kuppel.

Fürst Nicolaus und die Planer hätten sich - zur ihrer Zeit - kein eindrucksvolleres oder größeres Gebäude als das auf der Zeichnung dargestellte vorstellen können, denn dazu wäre das benötigte Baumaterial nicht zu beschaffen gewesen. Von Anfang an stellte sich das Brennen und der Transport von Ziegeln als ein fast unüberwindliches Hindernis dar. In der Umgebung von Söjtör befanden sich keine Ziegel- und Kalköfen. Ein bedeutender Teil der Ziegel wurde in improvisierten Feldziegelöfen gebrannt. Um das dazu erforderliche Holz zur Verfügung zu stellen, mußten Wälder wie der von Veszkény gerodet werden. Die Leibeigenen hatten den größten Teil der Ziegel in Fronarbeit mit ihren schwachen Fuhrwerken, mit Kühen und Ochsen zu befördern. Die Transporte wurden fast jedes Jahr wegen Maul- und Klauenseuche ("die Seuche grassieret") wieder eingestellt. Die Ziegel und anderes Baumaterial, mußten von den Leibeigenen verschiedener, von Söjtör oft 30-40 Kilometer oder weiter entfernten fürstlichen Gütern befördert werden. Sie haben sich dagegen mehrmals erhoben, "gestreikt", brachen einander die Radspeichen der Wagen. Oft wurden die Leiter der Aufruhre streng bestraft, z. B. ausgesiedelt oder sogar enthauptet. (Patrimonialgericht, Recht über Leben und Tod.) Über zwanzig Jahre mußten jährlich eine bis anderthalb Millionen Stück Ziegel gebrannt und transportiert werden, und zwar das vorgeschriebene Quantum pro Fuhre. Um den Bau zu beschleunigen, verordnete der Fürst den Brand von Ziegeln, die viel größer waren als üblich. (Da die Stückzahl geblieben ist, wurden die Wagenkolonnen von Trabanten begleitet, welche die weggeworfenen Ziegel sammeln ließen und die Sünder auf den von ihnen pflichtgemäß mitgeführten "Strafzetteln" notierten.) Die zum Bau und für die Balustraden, Statuen, Becken, usw. notwendigen Bruch- und Formsteine wurden von Fertőrákos (Kroisbach) die bessere Qualität von St. Margarethen herantransportiert. Dieser Steinbruch war besonders weit entfernt.

Wurde 1730 einer von "Zünner beede angelegte Gartten" zu Söjtör entworfen, so wurde er offenbar in der anspruchsvollen lavierten Zeichnung, in der fast alle in den Ländern Europas bekannten Varianten der barocken Parterre-Motive mit großer Kenntnis und Virtuosität komponiert wurden, dargestellt. Auf der lavierten Zeichnung fangen die seit dem 16. Jahrhundert existierenden Sichtaxen als organische Elemente des Parterres an. Deshalb weicht dieses Parterre - was seinen Grundriß anbelangt - von den damals bis jetzt international bekannten Parterre-Formen ab, denn es weitet sich in Richtung des Löschwaldes (bei ungefähr seiner Zweidrittelhöhe), wegen der vorhandenen "vues" entsprechend trapezförmig aus. Das Gemälde aus den Jahren nach 1720 und auch eine Zeichnung stellen eine ähnliche Anlage dar. Auf dieser Gesamtdarstellung der Parkanlage finden sich alle wichtigen Eigenheiten, die später auf dem Grundriß der "Beschreibung" zu sehen sind. Auf der zeichentechnisch sehr schlichten Wiedergabe des sicher schon länger bestehenden Zustandes ist auf der Fläche des spätereren "Saugartens" - am südöstlichen Rande der Gesamtanlage - eine neue Parkeinheit detailliert aquarellisiert dargestellt. (Gab es einen Zinner-Plan, so stand ihm die offenbar aus der Nádasdy Epoche stammende barocke Wald-Park-Komposition zur Verfügung.)

1765 wurden die Strukturelemente, die Mauern und das Dach des auf der lavierten Zeichnung dargestellten Schlosses fertiggestellt. Nach einer von János Hárich mitgeteilten deutschsprachigen und ins Ungarische "übersetzten" Urkunde vom Dezember 1765 leistete Melchior Hefele bei der Entwicklung des Schlosses Planungs- und örtliche Bauaufsichtsarbeiten. Hárich hat in den ungarisch übersetzten Text der deutschsprachigen Urkunde einige Wörter "eingefügt", so daß man daraus folgern kann, daß Hefele der Planer des gegenwärtigen Schlosses war. Dieser von Hárich inspirierten Meinung haben sich viele ungarische und auch ausländische Fachschriftsteller angeschlossen und obwohl alle authentischen Werke Hefeles bestätigen, daß seine Gestaltungsart die des Rokokos überschritten, wird Eszterháza als eine jugendliche Stilverirrung Hefeles betrachtet oder er wurde vom Auftraggeber dazu benötigt. Hefele bekam wahrscheinlich seinen Planungsauftrag, weil er in Passau durch den Treppenhausbau der erzbischöflichen Residenz bewiesen hatte, ein ausgezeichneter Meister und Künstler dieser "Gattung" zu sein. (Jacoby übernahm offensichtlich keine anspruchsvollen und großes Können erfordernde Teilaufgaben, wenn andere dazu besser befähigt waren .)

Hätte sich jemand die Mühe gemacht, Hefeles ursprüngliche deutschsprachige Urkunde wortwörtlich auszulegen bzw. die an die einzelnen Meister und Künstler erteilten Aufträge durchzulesen, die der Verwirklichung einer inneren Prunktreppe und des dazugehörigen Treppenhauses aufgrund Hefeles Plan und Makett dienten, wäre eindeutig gewesen, daß das heutige Schloß nicht von Hefele geplant wurde. Nicht einmal die Zwischenvariante, welche dem gegenwärtigen Zustand vorangegangen war, wurde von ihm entworfen.

Während der Entwicklung von Eszterháza wurden bereits bestehende Gebäudemauern fast nie abgerissen; sie wurden stets für den weiteren Ausbau wiederverwendet. Das Interieur wurde dagegen oft verändert. Solch' einer Änderung kann Hefeles innere Prachttreppe zum Opfer gefallen sein, weil sie heute nicht mehr existiert. Das "Treppenhaus", (welches sie behaust hätte) besteht jedoch noch, und ist nachweisbar mit den Bestellungen, die sich auf die Einzelheiten der "Fenster und Türe" und der verschiedenen bildhauerischen Lösungen beziehen. Die Steinrahmen der Fenster dieses Treppenhauses und ihre geradlinigen Sturzgesimse sind (ähnlich wie diejenigen, die sich am Mittelrisalit des Primatialpalastes in Preßburg und an anderen von Hefele geplanten Gebäuden befinden) sowohl am Mittelrisalit der Hauptfassade als auch an den Seitenfassaden der gegenwärtigen Innenhöfe zu finden. Auf die Ränder/Kanten von zwei Fenstern wurden einige Jahre, nachdem Hefele dort anwesend war, Mauern gebaut. (Nach Pál Voit's irrtümlicher Meinung wurden diese Mauern nach Plänen von Hefele gebaut, und zwar: "Die kulissenartig gestaltete Fassade, die Risalite verbindend".) Diese "Kulisse" hat aber - in Übereinstimmung mit manchen seiner bühnenbildartigen Lösungen - vermutlich Jacoby erbaut.

Das tatsächlich von Hefele geplante Treppenhaus - mindestens die existierenden Sturzgesimse - bestätigen jedoch, daß er auch schon während seiner Tätigkeit in Eszterháza den klassizistischen Stil vetrat.

Während der Renovierung des Schlosses nach dem zweiten Weltkrieg, beim Abbau der "offenen" Hoftreppe, fand der Architektur-Professor Mihály Kubinszky in einem Steinelement der Treppe die eingemeißelte Jahreszahl von 1768. Da die Verträge zum Bau der verschiedenen Elemente der von Hefele geplanten Innentreppe mit den Handwerkern und Künstlern nur im Juli/August 1766 abgeschlossen wurden, ist anzunehmen, daß sie gar nicht gebaut wurde. (An Ort und Stelle der Innentreppe müßte 1768 schon die Decke zwischen dem unteren und oberen Vorsaal gebaut gewesen sein.)

Die Hoftreppe wurde nicht gleichzeitig mit dem von Hefele geplanten Treppenhaus gebaut, weil die Freilegung bestätigt hat, daß für einige Elemente der äußeren Treppe nachträglich in die schon bestehende Mauer gemeißelt werden mußten. Die zu der äußeren Treppe gehörenden Sockelsteine wurden - dem heutigen Zustand entsprechend - den ursprünglichen vorgelegt, das heißt: sie sind doppelt vorhanden.

Fürst Nicolaus hielt sich in der zweiten Hälfte des Jahres 1767 in Frankreich auf. (Nach Hárich wäre er auch schon 1764, nach der Frankfurter Krönungsfeier in Paris und Versailles gewesen.) Der Aufenthalt in Frankreich im Jahre 1767 fiel länger als geplant aus, weil Nicolaus erkrankte. Mit Jacoby befand sich auch Tomasini, ein ausgezeichneter Geigenspieler des fürstlichen Orchesters, in der Begleitung des Fürsten.

Höchstwahrscheinlich haben sie während ihrer Reise außer Versailles auch andere Schlösser und Kunstensembles besucht. Als sie nach Eszterháza zurückkehrten, hatte der Fürst seine früheren Ideen geändert, indem er vor den inzwischen völlig fertiggestelten "Saal a terrena" und vor den beinahe fertigen Prunksaal im Obergeschoß statt der inneren Prachttreppe jeweils einen großen Vorsaal bauen ließ. Die früher erwähnte, nach Vorbildern in Wien und anderswo erbaute äußere Prachttreppe im Cour d'honneur, führte in den Vorsaal des Obergeschosses.

Der nach Plänen Hefeles verlängerte mittlere Risalitflügel bildete mit der ihm angebauten großen Außentreppe in dem sonst vorteilhaft konkavgeformten Cour d'honneur einen störend konvexen Bestandteil welcher offensichtlich "unerträglich" wirkte. Um diese verdrießliche Konvexität zu beseitigen, mußte der verhältnismäßig schmale, kulissenartige Fassadenstreifen erbaut werden, der die Risalite verband und optisch "verschwinden ließ". (Aber der Grundrissplan der Beschreibung des Schlosses - die tatsächliche Lage - wurde von Jacoby "geändert". Er verbreitete darin den Kulissenstreifen, um ihn architektonisch akzeptabel erscheinen zu lassen.)

Der Zustand mit der vereinheitlichten Hoffassade wird in einer perspektivi-schen Zeichnung dargestellt, auf der weder das Datum noch ihr Zeichner angeführt sind. Sie wurde in den Nachkriegsjahren in einem ehemaligen fürstlichen Forstbüro gefunden.

Vergleicht man diese Zeichnung mit den diesbezüglichen Archivurkunden (Bestellungen, Rechnungen usw.), so erleichtert sie bedeutend die Bestimmung der zeitlichen Reihenfolge des Bauens und der Dauer der Bauphasen.

Die kolorierte Zeichnung stellt ein Schloß mit einer Längs- oder Babilonkuppel dar, dessen drittes Geschoß ein Mansardendach bildet (mit roten Dachziegeln bedeckt, und - vom lavierten Plan abweichend - mit einer zusammenhängenden Dachstruktur). Die Längskuppel ist nicht mit Ziegeln, sondern - urkundlich nachweisbar- mit Kupferblech belegt; deshalb wirkt sie farblich anders als die übrigen Dächer. Das Belvedere hat 24 Fenster, also soviele, wie die Urkunde, die sich auf diese Bauphase bezieht, nachweist.. An den Seitengebäuden des lavierten Planes - in der Seitenansicht - gibt es fünfzehn Fenster, auf dem Plan mit der Längskuppel - wie heute - siebzehn. Der vom Hauptgebäude noch getrennt stehende Wintergarten und die Gemäldegalerie haben acht Fenster, nicht sieben, wie sie von Jacoby in seinem Stich "Beschreibung" dargestellt wurden. Die Wächterhäuser (von einer anderen, ebenfalls nachträglich gefundenen Zeichnung abweichend), sowie die vom Parterre rechts und links stehenden, um je einen Hof einen "Rahmen" bildende Seitengebäude entsprechen ihrem heutigen Stand. Die letzteren jedoch sind auf der Zeichnung mit einem Opernhaus, Marionettentheater dargestellt, die es in Wirklichkeit so nicht gab. (Diese befinden sich - auf dieser Darstellung - noch im "Planzustand".)

Von der teilweise noch heute lebenden, dreireihigen Roßkastanien-Allee sind nur zwei Reihen dargestellt. Das Alter der dargestellten Bäume kann auf 10-15 Jahre geschätzt werden, denn die Zeit ihrer Pflanzung ist bekannt.) Am Platz der heutigen inneren Allee stand - als die Darstellung entstand - eine Laubenreihe, an den Eckpunkten mit "Lusthäusern", die mit farbigen Ziegeln bedeckt waren. (Die Bäume erzielten noch keinen Raumeffekt!) Das Parterre wirkt im Vergleich zu dem auf dem lavierten Plan dargestellten Zustand großzügig vereinfacht. Die Blickachsen laufen wie auf dem Gemälde um 1720 als befestigte Wege bis zur Hauptfassade des Schlosses. Die inneren Wassertürme der lavierten Zeichnung fehlen, obwohl an diesen Standorten die Brunnen sogar heute noch stehen. Im Parterre sind die Springbrunnen bzw. die Becken der lavierten Zeichnung entsprechend dargestellt.

An der Südseite des Cour d'honneur, zu beiden Seiten der Hoftreppe, fehlen noch die Balkone. (Bei ihrem späteren Bau mußten sie in die Prachttreppe gemeißelt werden, um sie unterzubringen! Die Balkone wurden gleichzeitig mit der endgültigen dritten Etage erbaut.)

Um diese Schloßvariante zu schaffen, wurde - wie mit den diesbezüglichen Urkunden belegt werden kann - bis 1770-72 gearbeitet. Fürst Rohan und der Dichter Bessenyei sahen im Jahre 1772 diesen Zustand, ebenso Maria Theresia 1773, und ihre Familie im Jahre 1775. (Während der kurzen Zeit zwischen den Besuchen konnte das Schloß nicht in den heutigen Zustand umgebaut werden. Man konnte die hochrangigen Gäste nicht während des Umbaues des Schlosses empfangen. Deshalb wurde nun an den Nebengebäuden des Ensembles gearbeitet.)

Zu dieser Zeit entsprach der Park schon - was seine eingefriedeten Teile anbelangt - dem endgültigen Stand. Es fehlten aber noch viele wesentliche Teilelemente, "Einrichtungen", Wasserwerke, Springbrunnen, die Kaskade, die Eremitage, einige Tempel, die erst angelegt wurden, als das Hauptgebäude und die Nebengebäude dem endgültigen Stand entsprechend fertiggestellt wurden. Seit dieser Zeit standen Kapazitäten an Baumaterial, Transport, Geld und freien Meistern zur Verfügung, um die sehr kostspieligen Zierelemente des Parks zu verwirklichen.

Zur Zeit, als das Schloß mit der Babilonkuppel dargestellt wurde, bestand der Park aus sieben voneinander gut abgrenzbaren funktionellen Einheiten (auch auf der Zeichnung der "Beschreibung").

Die Kammergärten (Vertiefungen) - die als erste Einheit - neben den Appartements des Fürsten und der Fürstin lagen, waren am anspruchsvollsten angelegt. (Diese von ihrer Umgebung separierten Gärten waren aus den fürstlichen Appartement direkt zugänglich.)

Die auf beiden Seiten des Schlosses und. nördlich davon angelegten Gärten, (die zweite Einheit bildend), dienten sehr heterogenen Funktionen, und spielten keine betonte ästhetische Rolle. Es waren der Produktion dienende Pflanzungen (Treibhaus, Frühbeete, Küchen- und Obstgärten usw.), weiterhin die neben den Wegen und den Nebengebäuden (Stall, Gaststätte, Musikhaus, Häuser von Gutsverwaltern, Künstlern, hochrangigen Gästen) angelegten Stauchpflanzungen, Baumreihen und Alleen. (Die hervorragenden Künstler, so z.B. Haydn, hatten eigene Gärten.)

Die dritte und nebst den Kammergärten am anspruchsvollsten angelegte Einheit war das Parterre. Den abweichenden Darstellungen gemäß war es mit drei bzw. fünf Becken und Springbrunnen, sehr vielen Statuen, mit Bänken aus Holz und Stein und mit Orangen-, Zitronen-, Zierbäumen versehen, die in Töpfen standen und im Spätherbst ins Gewächshaus gebracht wurden. Das Parterre war stets mit Blumenbeeten geschmückt und im Frühjahr mit Zwiebelgewächsen bepflanzt. Zwischen den Buchsbaumhecken gab es selbstverständlich auch Zierflächen mit farbigem Kies oder Glas (Kugeln) bestreut. Das Parterre wurde von einer bogenförmigen Fläche abgeschlossen, welche mit im Jahre 1784 erbauten Kaskaden geschmückt wurde. Diese Kaskaden entstanden mit einem außerordentlich großen Aufwand Material und Geld. Im Park wurden mehrere riesige Wasserhubwerke mit den zu ihnen gehörenden, aus Kupferblech hergestellten Wasserspeichern gebaut. Die Speicherbecken wurden von im Kreis herumgetriebenen Pferdegespannen, mit Hilfe von Göpelwerken und Wasserrädern gefüllt.

Das Parterre und der Fasangarten (Lustgarten) lag ab Ende der 70er Jahre im Wirkungsbereich des "Herrn" Obergärtner Matthias Pölt (die Ansprache "Herr" gebührte fast nur ihm, sehr selten auch Haydn!). Die Erhaltungskosten beliefen sich "offiziell" auf 2800 Fl jährlich. In der Wirklichkeit hat Pölt diesen Betrag, mit der nachträglichen Genehmigung des Fürsten Nicolaus fast jedes Jahr um mindestens 1500 Fl überschritten.

Zum Parterre gehörten, wenn auch nur mittelbar, der Wintergarten, die Orangerie. (Letztere existiert heute noch, dem ebenfalls vorhandenen Marionettentheater angebaut.) Der Wintergarten, rechtwinkelig dem Ostflügel des Schlosses angebaut, war außerordentlich anspruchsvoll angelegt. Über den Zierwert hinaus, der von aus Holland in jedem Jahr in großem Maße importierten Blumenzwiebeln bestimmt wurde (die Namen der Lieferanten, die Sorten, die Preise und Zollbeträge, usw. sind in den Urkunden überliefert), wurde die zauberhafte Frühlingsstimmung auch durch das großflächige und reiche Ensemble eines Systems von Wasserbecken, Springbrunnen und Kaskaden hervorgebracht.

In der Orangerie und den Treibhäusern wurden fast alle Früchte gezüchtet, frühgetrieben von Erdbeeren bis zu Orangen und Ananas, welche die Opulenz der fürstlichen Tafel sicherstellten.

Nach dem Parterre - als vierte Teileinheit - , in südlicher Richtung und zwar beinahe auf der Hälfte des ursprünglichen Les-Waldes entstand der "Fasangarten" (auch Lustgarten. genannt). Sein Form war die eines oblongen Rechtecks, das im Süden mit einer halbkreisförmigen "Apsis" abgeschlossen.wurde. Dieser Parkteil wurde visuell von einer doppelreihigen Allee und einem Zaun begrenzt. Die Reste der Apsis-Alleen leben noch. Auch stehen heute noch Teile der gemauerten, mit Statuengeschmückten Pfortensäulen .

Südlich von dem Fasangarten befand sich als sechste Teileinheit der Tiergarten (Tändel-, Thendel-, Dändel-garten) mit Rehen und Hirschen. Hier stand das mit Skulpturen verzierte "Jägerhaus" mit der Wohnung des Jägers. Der Tiergarten umschloß teilweise von rechts und links den Fasangarten.

Die siebente Teileinheit wurde am östlichen Rand des Löschwaldes vom "Schweinegarten" gebildet. Er hatte die Form eines unregelmäßigen Achtecks, (auf einer Darstellung eines Sechsecks) und von einer zentral gelegenen Lichtung lief jeweils eine Schneise zu den Seitenrändern des "Saugartens". Eine dieser Schneisen war die Fortsetzung der linksseitigen Hauptschneise.

Zu dem Fasangarten (Lustgarten) muß bemerkt werden, daß sich Fürst Nicolaus in den letzten zehn Jahren seines Lebens am meisten mit diesem Parkteil beschäftigte. Darin standen die Gartenbauten, wie der Diana-, Venus-, Sonnentempel und aals letztes das "Bagatelle", das vielleicht wichtigste Gartengebäude, (auch Chinesisches Teehaus genannt). Letzteres war das Hauptmotiv des sog. Ovalplatzes oder Markusplatzes. (Ein dem Bagatelle ähnlicher Bau wurde in den vergangenen Jahren - als Gasthaus dienend - an der Stelle des originalen Gebäudes errichtet.) Der Ovalplatz (ursprünglich eine Wildwiese) spielte als prunkvoller Schauplatz anläßlich verschiedener Feierlichkeiten eine wichtige Rolle. Er war der Freiraum, wo große "Festin's", Veranstaltungen, Tänzen, Feuerwerken, Illuminationen inszeniert wurden. In den Jahren nach 1780 hat man auf dem Ovalplatz ein sehr anspruchsvolles System von Wasserbecken, Kaskaden und Springbrunnen mit einem selbständigen, sehr großen Wasserwerk gebaut.

Ein seltsames Motiv des Fasangarten war die Eremitage und zwar deshalb, weil diese teilweise den Charakter eines "englischen Gartens" hatte. Die überlieferten Beschreibungen berichten über "naturelle" Statuen, unter ihnen das Ebenbild von Nicolaus und andere nicht barocke Zierelemente.

Der Park konnte mit einem "zweikammerigen", sehr großen, von 4 - 6 Pferden gezogenen Wagen umgefahren werden. Nur sehr hochgeschätzten Gästen wurde diese "Gnade" zuteil. Der Besuch des kleinen Schlosses und Parks Monbijou gehörte zu den beliebten Unterhaltungen. Hierher wurde aber meistens geritten.

 

Das zentrale Schloß erhielt seine endgültige, mit der heutigen fast übereinstimmende Form wahrscheinlich nach dem letzten großen "Festin", dem Besuch der Familie der Kaiserin im Jahre 1775.

Jacoby bestellte in diesem Frühjahr - nebst Steinfassungen - über 70 Klafter (etwa 140 m) Balustraden für das Schloß. Zu der letzten Schlossbauphase, die weitgehend dem heutigen Zustand entspricht, enstanden das neue Belvedere mit 20 Fenstern, die Aufstockung auf drei Vollgeschosse, die neue Fassadengestaltung mit Lisenen (anstelle des quadratisch gegliederten Mörtelputzes), der Anschluss des Wintergartens und der Gemäldegalerie an das Hauptgebäude, die Errichtung des neuen Gasthofes sowie andere Bauten (Wohnhäuser in der Széplaker Allee) und die Ziegelmauer des Parkes. Diese Vorhaben erforderten einen enormen Arbeitsaufwand und verursachten sehr hohe Kosten.

Einer unerwarteten und starken Belastung war die Baumaterialkapazität der betroffenen Güter mit dem Bau des neuen Opernhauses ausgesetzt. Das ursprüngliche Gebäde brannte im Dezember 1779 ab. Laut Anweisung des Fürsten Nicolaus mußte mit dem Bau des neuen sofort begonnen werden. Die Pläne wurden von Ingenieur und Hofmaurermeister Stöger und Hoftischlermeister Haunold parallel in wenigen Wochen fertiggestellt. Dieser neue Bau war eines der größten und damals auch modernsten Opernhäuser Mitteleuropas. (Die Baumasse war der des heutigen Schloßkerns ähnlich.) Zwischen den zwei Planern kam es zu einem "Prozeß" um die Bestimmung des "Urheberrechtes." Die diesbezüglichen Urkunden sind sehr lehrreich, ebenso, wie die Behauptung Pál Voit’s (in seinem 1970 herausgegebenen Buch), nach der das Opernhaus - im Gegensatz zu der von Mátyás Horányi schon l959 veröffentlichter Urkunde - von Hefele geplant wurde. Mit dieser - den Tatsachen widersprechenden - Feststellung hat er die ehemaligen Unterstellten Jacobys, den "Maurer- und Tischlermaister" zu einer hohen - in Wirklichkeit wohlverdienten - Würde verholfen. (Voit - auch andere Autoren - behaupteten eindeutig, daß Jacoby einer ähnlichen Leistung nicht fähig war.)

Das neue Opernhaus wurde nicht am Platz des alten erbaut, weil die Räumung der Ruinen einen allzu großen Zeitverlust verursacht hätte. Es war auch wesentlich größer und so hätte der Platz dafür auch nicht gereicht.

Wie bereits geschildert, befaßten sich Fürst Nicolaus und Jacoby seit den 70er Jahren mit der Verbindung des Systems der Sichtachsen (Vues) von Monbijou und Eszterháza. Anordnungen wurden zur Anlage, Ausholzung von Waldschneisen und zur Anpflanzung von Alleen ausgegeben. Diese wurden oft auf den Grundstücken von Untertanen und des mittleren Adels ausgesteckt und angepflanzt. Da die Bäume von den ursprünglichen Grundbesitzern mehrmals "entfernt" wurden, sind über diese Angelegenheiten viele schriftliche Aufzeichnungen überliefert und somit ist verhältnismäßig leicht festzustellen, welche Allee wann entstanden ist. Das zusammengefügte, vereinheitlichte Sichtachsen-System; ist als eine einzigartige barocke Landschaft nach den schriftlichen Urkunden tatsächlich zustande gekommen und auf den Karten der Josephinischen Aufnahme von 1784 sehr überzeugend dargestellt worden, (darunter auch das Opernhaus an seinem neuen Platz).

Unabwendbar ergibt sich die Frage, wer tatsächlich der Planer und Erbauer des Kunstensembles war. Fürst Nicolaus hätte sicher nicht geduldet, daß die Bemerkung "del. et aedif. Jacoby" auf dem Stich der "Beschreibung" figurierte, wenn er damit nicht einverstanden gewesen wäre. Zweifellos fehlt die Bemerkung "invenit", aber sie in den Grundriß einzutragen wäre von Fürst Nicolaus sicher nicht zugelassen geworden, weil das invenieren sein "Privileg" war. Die Entwicklungsvorstellungen stammten mutmaßlich aus mehreren Quellen, so kann auch der Fürst als Initiator betrachtet werden. In Livree gekleidet erschien Haydn täglich vor seinem Herrn, um die Vorstellungen des "Prachtliebenden" erforschend, seine Werke ihm gefällig komponieren zu können. (Soweit mir bekannt, ist bisher niemand mit der Idee hervorgetreten, daß deshalb der selbst gerne musizierende Fürst der Autor dieses oder jenes Haydn-Werkes wäre. Daß er der Schöpfer des Schlosses war, wurde aber behauptet.)

Die "Beschreibung" erschien 1784. Zu der Zeit stand das neue Opernhaus schon seit beinahe vier Jahren. Die Ruinen des alten waren offensichtlich von der Stelle geräumt, dort ist eine Lücke geblieben, da hier nichts mehr gebaut wurde. Vieles ist dagegen zwischen neuem Opernhaus bis zum Fasangarten entstanden. Am Ende der neuen Gebäudereihe stand ein verhältnismäßig großes Café. (Dieser asymmetrische Zustand ist auf einem zeitgenössischen Gemälde dargestellt.) Soweit ich weiß, wurde bisher von niemandem erwähnt, daß diese Gebäude auf dem von Jacoby mit seinem Namen anerkannten Grundriß nicht vorhanden sind, das abgebrannte Opernhaus jedoch ja. Auf einem Kupferstich der "Beschreibung" (der das Schloß und die Neben-gebäude vom Parterre her gesehen perspektivisch darstellt), ist als Pendant des neuen Opernhauses ihm gegenüberstehend ein ihm ähnliches Gebäude mit gleicher Fassade zu sehen. Dieser "Planzustand" wurde nie verwirklicht. Der Wintergarten und die Bildergalerie stehen auf dieser Zeichnung vom Hauptgebäude noch abgesondert mit je zwei Türmchen. (Auf Jacobys Grundriß sind sie mit dem Hauptgebäude verbunden.)

Die Gebäudereihe, welche vom neuen Opernhaus bis zum Fasangarten offenbar aus Gründen der bequemeren Erreichbarkeit errichtet wurde, hat das Kunstensemble im Vergleich zur Variante, die auf dem Grundriß der "Beschreibung" sichtbar ist, wegen der fehlenden Symmetrie entstellt. Jacoby hat dieses Ensemble, das sein Gleichgewicht verlor, als Aedificator nicht anerkannt und offensichtlich deshalb auf seiner Grundrißzeichnung nicht dargestellt.

Zweifellos hielt es Jacoby für wichtiger, die Harmonie der Barockkomposition räumlich zu gestalten, als die allgemein akzep Bauregeln von Barock-schlössern einzuhalten, welche im Fall von Eszterháza hinsichtlich dessen Entstehen in etwa zwölf Bauphasen sowieso nicht einzuhalten waren. Fürst Nicolaus wußte offenbar, daß seine Nachfolger keine Anhänger des Barock mehr waren, daß nur er seine Freude an Eszterháza hat und ihm gefiel das Schloß nicht nur als Rokokobau, sondern als versachlichtes, manifestiertes Lebenswerk, welches die Merkmale seines Werdeganges nur den sensiblen Betrachtern erschloß.

Sicherlich gibt es kein äußerlich eindrucksvolleres aber mit vielen Makeln behaftetes Barockschloß, das angesichts seiner inneren Struktur so ein dilettantisches und die Gepflogenheiten eines Fachgebietes so sehr außer acht lassendes "Flickwerk" war wie Eszterháza. Die ständige Ausweitung und Entwicklung des "gewachsenen" Schlosses hätten auch keine andere Lösung ermöglicht. Es gab sicher niemals einen Barockarchitekten, "Maurermaister", der in einem Zug ein Schloß mit so einem fehlerhaften Interieur entworfen hätte. Am wenigsten Jacoby.

Der fesselnde Zauber und zugleich die mitreißende Individualität - außer der bezaubernden Monumentalität des Cour d'honneur - von Eszterháza steckt in den vielen, raffiniert jongleurartig gelösten und graziös eleganten Unregelmäßigkeiten. Die meisten "in einem Zug, vorschriftsmäßig" geplanten Schlösser - obwohl sie majestätisch wirken - sind langweilige Bauwerke.

Bei der Beurteilung von Eszterháza dürfen wir das Schloß nicht alleinstehend betrachten. Das Zentralgebäude ist ein sehr wichtiger, aber - in Anbetracht seiner architektonischen Beschaffenheiten - nicht allein bestimmendes Element der eigenartigen Qualität der Barocklandschaft.

Barockensembles müssen Spannung, Bewegungszwang erwecken. Die aus naturnahen und architektonischen Elementen - subordinierend komponierten - Räume müssen ein dynamisches, zugleich beschwichtigend wirkendes Gleichgewicht und ein Gefühl der Überwältigung hervorrufen, um repräsentativ, monumental zu wirken. Die Voraussetzung der Spannung ist der Kontrast, die Bedingungung der Bewegungsempfindung besteht in der mitreißenden Wirkung von Licht-Schatten-Rythmen, im anziehenden Effekt von konkav gebildeteten Gebäudeensembles und hohlrund geschnittenen Baummassen, sowie Hecken und Alleewänden. Dynamisches Gleichgewicht kommt zustande, wenn ein Werk, das solche Merkmale aufweist, geschlossen und vollendet wirkt, aber gleichzeitig auch entwickelbar ist. In Eszterháza sind die beunruhigenden Gegensätze zwischen den Teileinheiten - wie das auserwählt motivierte, graziöse Parterre, die Mensch und Pflanzen schützenden, steifen Mauersysteme, die naturwidrig getrimmten Alleen, die starren architektonischen Räume einerseits und die malerischen landschaftlichen anderseits - in der Gesamtkomposition zu einer disziplinierten Spannung geführt worden. Das Barockkunstensemble beunruhigt und diszipliniert zugleich. Nebst dem Gegensatzpaar Beunruhigen und Disziplinieren erweckt das von Anziehen und Abstoßen einen Bewegungszwang.

Konvexe Formen wirkwn abstoßend, die konkaven, an offene Arme erinnernden ziehen an. Der emporragende Zentralteil des Schlosses ist konvex und daher abstoßend. Die Linderung der abstoßenden Wirkung (und zugleich die Stärkung der Gegensatzpaare) wurde, von dem Fasangarten her gesehen, von der konkaven Raumformation gewährleistet, die von den symmetrischen Nebengebäuden an beiden Seiten des Parterres gebildet war. Die barocke Ensemble-Komposition Eszterháza erzwang eine ständige Bewegung. Die Bahnen und Richtungen der Bewegung waren bewußt geplant, im voraus bestimmt. Nicht nur die Bewegungsrichtungen der Besucher, sondern auch der Verlauf der ständigen Entwicklung des Ensembles wird von der eigenartigen Dynamik der organischen Komposition bestimmt. Die Dimensionen können zunehmen, die Zahl der Ensembleelemente kann steigen, aber wie die Gegen-wart von der Vergangenheit bestimmt wird, wurde auch die Zukunft von dem vorhandenem Ensemble determiniert.

Jacoby nahm sich vor, nach Preßburg umzuziehen und bat um seine Versetzung in den endgültigen Ruhestand, als er sah, daß eine der wesentlichen Forderungen des Kunstensembles, die Symmetrie bei der Plazierung neuer Gebäude vom Fürsten außer Acht gelassen wurde. Jacobys Entscheidung darf bei der Beurteilung seiner künstlerischen Prinzipen nicht vernachlässigt werden. Es ist nicht leicht, Jacoby bloß als Architekt zu beurteilen. Als er - als Angestellter - von Fürst Nicolaus die 400 Rheinischen Goldmünzen als Geschenk angenommen hat, band er sich für sein Leben. Er konnte, durfte außerhalb Eszterháza nicht wirken. Auch Haydn hat Eszterháza nur nach dem Tod von Nicolaus verlassen können.

Jacoby darf nicht nur als Schloßarchitekt bewertet werden, weil er mehr war. Als Ergebnis seiner 18 jährigen Arbeit entstand eines der wertvollsten Barockkunstensembles der Welt. Und nebenbei ein mit vielen Fehlern belastetes Schloß. Ein in Erstaunen setzendes, bezauberndes Machwerk.

Um Fürst Nicolaus' Meinung über die "Architekten" darzustellen, soll hier ein Auszug aus einem seiner Briefe stehen, den er an die Witwe seines Bruders geschrieben hat. Sie hatte die Absicht, in Kisslak (Süd-Pannonien) bauen zu lassen. "Die Verwittibte Frau Fürstin möchte mir geruhen den Riß und Überschlag über die zu Kislak zu erbauen wollende Kirch, Pfarrhof und Schulhaus daselbst verfertigen lassen und im geringsten nicht bekümmert seyn, als wären um Haus keine Bauverständige Leuthe anzutreffen, welche vermög einzuschickenden Riß arbeiten könnten. Es ist ja die Stadt Fünfkirchen, von dannen nicht weit entlegen allwo sich verständige Maurer und Zimmer Meister befinden. Anbey lasse Ich ja auch selbsten alle meine Gebäuer durch dortigen Meistern verrichten die eben so gut arbeiten, als die herobigen ... indeme Ich in Kaposvár selbsten mein Schloß bauen lasse.

Esterház, den 25-te Jun. 1779. Nicolaus Fürst Esterházy"

(Dieser Brief drückt Fürst Nicolaus' Überzeugung ziemlich eindeutig aus, daß die "Meister" von Fünfkirchen (Pécs) ebenso begabt waren, wie seine "Künstler". Deshalb hat er z. B. an Wiener Architekten keine Aufträge gegeben. Diese "Fachmeinung" bestätigte er noch im selben Jahr, als er seine Hofmaurer- und Hoftischlermeister beauftragte, das größte hochadelige Opernhaus Mitteleuropas zu entwerfen. Der örtlich wohnhafte Maurermeister Pál Guba, mußte den Bau binnen eines halben Jahres ausführen.)

Nicolaus der Prachtliebende starb 1790. Sein Sohn feierte seine Einsetzung zum Herrn des Majorates noch in Eszterháza, verlegte aber seinen Sitz binnen kurzem nach Eisenstadt. Die Zopf-Barock Epoche endete mit dem ebenfalls 1790 gestorbenen Josef II. In Eisenstadt entstand an Ort und Stelle des Barockgartens ein Englischer , also ein Landschaftsgarten.

Eszterháza fiel wieder in einen Dornröschenschlaf. Dieser Schlaf war jetzt sehr lang und fast verhängnisvoll für das Kunstensemble.

Die Familie Esterházy zog nach einer Pause von mehr als hundert Jahren am Anfang unseres Jahrhunderts in das alte Schloß zurück. Ein wesentlicher Teil der Nebengebäude, so das Opernhaus, alle Bauten des Parkes waren eingestürzt, zugrunde gegangen. Ihr Material wurde wahrscheinlich von den in der Nähe lebenden Nachfahren der Leibeigenen abgetragen, die einst verpflichtet waren, sie dorthin zu befördern.

Ein Grund für die Rückkehr der Fürsten mag gewesen sein, daß das alte Schloß, den modernen Ansprüchen gemäß, mit fließendem kalten und warmen Wasser und Zentralheizung so versehen werden konnte, daß die Familie - in Eisenstadt wohnend - keine Unbequemlichkeiten erleiden mußte. (Die technischen Pläne zur Schloßmodernisierung stammen von 1906.)

Die alten Zierelemente Springbrunnen, Statuen-Alleen, Fasanerie-Tempel und viele andere wurden nicht wiedererbaut. Einerseits bestand dafür kein Bedarf, andererseits gab es keine Leibeigenen mehr, denen ihre Erhaltung zur Pflicht gemacht werden konnte. Im früher reich geschmückten Parterre hat man eine große Rasenfläche mit Stechfichten (Picea pungens), Buchs- und Lebensbäumen angelegt. Rechts vom Schloß in Richtung Széplak wurde ein anspruchsvoller botanisch-dendrologisch orintierter Landschaftsgarten geschaffen.

Am Ende des zweiten Weltkrieges brachte das Schicksal nicht einen Dorn-röschenschlaf, sondern einen Alptraum. Im Schloß wurde ein sowjetisches Kriegsspital eingerichtet. Zur Heizung wurde u.a. das vorübergehend für überflüssig erklärte Holz der Dachkonstruktion gebraucht. Der schwach gewordene Dachstuhl hielt den Schneedruck der nachfolgenden Winter nicht aus, ein Teil des Daches brach ein. Durch das einsickernde Wasser vermehrte sich in den beinahe 200 Jahre alten Holzdecken der Hausschwamm. Das Schloß war zum Verfall verurteilt.

Ein ehemaliger Angestellter der fürstlichen Familie, der international bekannte Pflanzenzüchter Aladár Porpáczy richtete mit Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums ein Gartenbauforschungsinstitut im Schloß und auf den umgebenden Feldern ein. Binnen kurzem wurde auch eine Mittelschule für Gartenbau gegründet. Ersteres entstand im Ost-, letztere im West-flügel des Schlosses. Auf Initiative von Aladár Porpáczy betrachtete das Ministerium das Schloß als sein Eigentum und verwendete bedeutende Beträge zur Renovierung. Die stark verseuchten Decken mußten von Stahlbetonkonstruktionen so ersetzt werden, daß z.B. der freskobemalte Mörtelputz der Decke des Prunksaales unbeschädigt blieb. Im restaurierten Schloßkern wurde ein Museum eingerichtet. Der Großteil der mit der Verwirklichung und mit der Renovierung verbundenen finanziellen und beruflichen Arbeit wurde von Frau Jolán Bak aus Széplak organisiert, geleitet und ausgeführt.

Das Schloß steht heute unter der Verwaltung der Universität von Sopron. Es entstanden zahlreiche Pläne und Vorstellungen über Nutzung, Erhaltung sowie zur Gesamtrestaurierung und zukünftigen Entwicklung. Aber all diese scheinen einstweilen "Wunschträume" zu bleiben.